Im September 2019 hatte das Landgericht Osnabrück ein Urteil im Bereich der Tierhalterhaftung gesprochen, welches ich euch auf keinen Fall vorenthalten will. Nicht nur, weil das Urteil und demnach auch der Fall aus dieser Stadt stammt, sondern auch, weil es die Grenzen der Tierhalterhaftung aufzeigt. Außerdem geht es um einen Rottweiler, bei dem mit großer Wahrscheinlichkeit die Zugehörigkeit zu dieser Rasse einen Teil dazu beitrug, dass ein zunächst normaler Spaziergang vor Gericht endete. Als Schäferhundbesitzerin kenne ich die typischen Vorurteile, die einem im Alltag begegnen, daher betrachte ich derart gelagerte Fälle gern aus mehreren Blickwinkeln.
In diesem Sinne: der böse böse Rottweiler… (Ironie aus)
Der Fall
Im Sommer 2016 ging eine ältere Dame mit ihrem Terrier spazieren. Plötzlich sei der Hund des Beklagten — ein Rottweiler — auf sie zugekommen und habe sie angesprungen. Dadurch sei die Dame zu Fall gekommen und erheblich verletzt worden.
Der Beklagte selbst war bei diesem Vorfall nicht anwesend. Eine Bekannte des Beklagten führte an dem streitgegenständlichen Tag den Rottweiler aus. Den Vorfall schilderte sie jedoch etwas anders: Tatsächlich sei der Rottweiler auf die Klägerin zugelaufen. Diese habe daraufhin ihren Terrier auf den Arm genommen. Der Rottweiler habe die Klägerin jedoch nicht angesprungen, sondern sei zu einem nahegelegenen Baum gelaufen und habe dort “sein Geschäft” verrichtet. Die Zeugin, die den Rottweiler ausführte, sei direkt zu dem Hund gelaufen, habe ihn angeleint und wollte ihren Gang fortsetzen. In diesem Moment habe die Klägerin ihren Hund wieder abgesetzt. Dieser sei mehrfach um die Klägerin herumgelaufen, sodass sich diese in der Hundeleine verwickelt habe und dadurch zu Fall gekommen sei.
Die Entscheidung
Das Landgericht Osnabrück wies zu Recht die Klage ab. Sie glaubten der Zeugin, die den Rottweiler betreute, und ihren Sachverhaltsschilderungen. Auf dieser Grundlage ergebe sich keine Haftung des Beklagten als Halter des Rottweilers.
Grundsätzlich haftet ein Tierhalter immer dann, wenn es durch das Verhalten seines Tieres zu einer Verletzung Dritter gekommen ist. Dieser Fall fällt jedoch nicht in diese Kategorie.
Die bloße Anwesenheit des Rottweilers reicht nämlich nicht aus, um eine Haftung gegenüber der klagenden älteren Dame zu begründen.
Diese ist unmittelbar durch ihren eigenen Hund und dessen Leine zu Fall gekommen. Um eine Haftung des Beklagten annehmen zu können, müsse jedoch zumindest feststellbar sein, dass der Rottweiler den Terrier dazu veranlasst hat, um sein Frauchen herumzulaufen. Dies war jedoch nicht der Fall.
Ich kann es einfach nicht lassen. Ich muss meinen Senf zu diesem Fall dazugeben 😀
Vorab möchte ich aber noch eine Geschichte erzählen, die mir vor wenigen Tagen passiert ist. Ich lief mit Queen und Püppi über eine Wiese. Beide waren mit der Suche nach Mäuselöchern “schwer beschäftigt”. Plötzlich hörte ich eine ziemlich helle aufgeregte und nahezu verzweifelte Stimme “Leinen Sie doch Ihre Hunde an.” Wo keine Leinenpflicht und für Queen & Püppi keine Gefahr besteht, laufen die beiden solange ohne Leine,wie wir dadurch niemanden stören und uns kein anderer Hund begegnet. Ich drehte mich um, um herausfinden zu können, woher die Stimme kam. Ich konnte niemanden sehen. Noch einmal ertönte die mittlerweile wütende Pipsstimme “Nun machen Sie schon.” Wir standen wirklich mitten auf einer Wiese und ich konnte um uns herum niemanden sehen. “Wo sind Sie überhaupt?” rief ich laut zurück. “Hier” kam aus einem Busch begleitet von einer Hand die oben herausragte. Ich konnte aufgrund der Entfernung kaum etwas erkennen, doch so langsam folgte der Hand auch der Rest des Körpers und eine ältere Dame mit ihrem kleinen Hund auf dem Arm schaute oben aus dem Gebüsch — mindestens 30 Meter entfernt. Wir waren so weit von der Dame entfernt, dass ich nicht einmal erkennen konnte, was für einen Hund sie auf dem Arm hielt. Zwischen uns und ihr lagen so viele Meter und dazu noch ein richtig tiefer Graben. Ich wusste, dass es keinen Sinn machte, darauf einzugehen und so sagte ich “Wir werden weiter gehen” und stiefelte mit Queen & Püppi davon.
Diese Situation ist nur eine von vielen. Viele Hundehalter — und leider sind es tatsächlich oft ältere Damen — reagieren nahezu panisch, wenn sie “potentielle gefährliche Rassen” sehen. Ob Schäferhund, Dobermann und wie in dem oben geschilderten Fall Rottweiler — es ist sehr oft so, dass Menschen panisch werden und ein Fehlverhalten bei dem “gefährlichen Tier” suchen.
Es ist das typische, wenn nicht größte Problem: viele Hundehalter sind einfach nicht in der Lage, die Körpersprache eines Hundes zu deuten. Immer und immer wieder führt dieses Unwissen zu erheblichen Missverständnissen und Problemen und landet letztendlich vor Gericht. Leider sind nicht wenige Hundehalter schlicht zu engstirnig, um sich mit der Körpersprache eines Hundes näher auseinander zu setzen. Sie würden ihrem eigenen Hund einen großen Gefallen tun und sich selbst natürlich auch. Ob ein entgegenkommender Hund völlig entspannt ist oder sichtlich unentspannter wird, sollten wir alle in der Lage sein auseinander zu halten. Wer dazu nicht bereit ist oder sich gar davor verschließt, sollte seine Berechtigung als Hundehalter vielleicht noch einmal überdenken. Auch um unseren eigenen Hund zu schützen, sollten wir lesen können, ob eine potentiell gefährliche Situation auf uns zu kommt.
Wenn man sich doch nur ein wenig mit der Sprache unserer Hunde auseinandersetzen würde, könnten so viele Missverständnisse vermieden werden. Aber wie heißt es oft so schön “Ich habe schon immer Hunde gehabt. Ich weiß, was ich tue.”