Wir leben in einem ruhigen Wohngebiet am Stadtrand. Hier leben einige Hunde und viele Kinder. Durch das gesamte Wohngebiet zieht sich ein Stadtpark, in dem keine Autos fahren dürfen. Nicht selten begegnen uns hier Kinder, die ohne Begleitung eines Erwachsenen einen Hund ausführen.
Grundsätzlich komme ich nicht umher zuzugeben, dass ich in derartigen Situationen oft zweimal hinsehe und genau beobachte. Das Verhalten eines Hundes ist nie zu 100% vorhersehbar und ich sehe es sehr kritisch, wenn Kinder alleine mit Hunden unterwegs sind. Vor allem, wenn es sich um große Hunde handelt, bei denen das Kind nicht in der Lage wäre, den Hund festzuhalten, falls dieser an der Leine zieht. Daher weiche ich solchen Situationen zum eigenen Schutz aber auch aus Rücksicht auf das Kind aus.
Doch obwohl ich grundsätzlich lieber einmal mehr ausweiche als einmal zu wenig, darf man hier nicht alle Situationen über einen Kamm scheren, denn wir alle haben sicher schon ganz unterschiedliche Begegnungen mit Kind und Hund gehabt.
Ich erinnere mich noch gut an ein Mädchen, die ich auf ca. 11 oder 12 Jahre schätzen würde. Sie läuft regelmäßig mit ihrem Dackel die gleichen Runden wie wir. Dieses Mädchen — und man muss es mal so einfach formulieren — hat es einfach drauf. Der Hund läuft immer neben ihr, orientiert sich an ihr. Sie arbeitet mit dem Dackel wie eine Große. Sie versteckt Leckerlis in Baumrinden oder apportiert mit ihrem Hund. Man riecht auf 100 Meter Entfernung, dass dieses Mädchen sich sehr bewusst darüber ist, was es heißt, einen Hund zu führen. Kommt ein anderer Hund entgegen, leint sie ihren Dackel an und macht Platz, sodass man entspannt an den beiden vorbeilaufen kann. Ich finde das wirklich beeindruckend. Dieses kleine Mädchen ist rücksichtsvoller und umsichtiger als viele Erwachsener und hier besteht sicher kein Grund zur Sorge.
Dann gibt es noch ein Mädchen zwei Straßen weiter in dem vermutlich gleichen Alter. Sie führt einen Golden Retriever aus — allein. Der Hund zieht sie wild von links nach rechts. Sie leint ihn ab, ohne dass er auf sie hört. Er bellt und rennt unkontrolliert durch die Gegend. Das Mädchen wirkt völlig überfordert und auch nicht wirklich glücklich mit der Situation. Als dieser Hund auf uns zugerannt kam, bekam sie solch eine Angst, dass sie einfach weggerannt ist. Der Hund folgte ihr allerdings nicht.
Eine Situation werde ich ebenfalls wohl nie vergessen, denn an diesem Tag hätte ich wirklich gerne mit den Eltern dieses Kindes gesprochen. Ein Junge — ich schätze ihn auf 8, maximal 9 Jahre alt — fuhr mit einem Skateboard durch die Bauernschaften. Dabei ließ er sich von einem ca. 40 kg Labrador ziehen. Der Hund war an einer Flexileine befestigt. Diese widerum an einem Stachelhalsband. Von Weitem schon rief ich “Achtung. Ich habe eine läufige Hündin.” Aber der Junge hatte keine Chance. Der unkastrierte Rüde rannte einfach weiter und er konnte ihn nicht halten. Zwar sprang er vom Skateboard ab, dennoch zog der Hund den Jungen weiter über die Straße. Erst als ich sagte “Du musst ihn jetzt irgendwie festhalten” schien er den Ernst der Lage erkannt zu haben. Queen befand sich in der Standhitze und ich wurde langsam nervös. Wir konnten uns irgendwie an den beiden vorbei schleichen und in ein Waldstück flüchten. Ich bin mir sicher, dass der Junge mit dem Begriff “läufige Hündin” gar nichts anfangen konnte. Ein kleiner Junge mit einem 40 kg Hund auf einem Skateboard. Der Hund trug ein Stachelhalsband, an dem die Flexileine befestigt war. Was um alles in der Welt haben die Eltern sich dabei gedacht?
Dieser Beitrag soll nicht die Frage thematisieren, ob Kind und Hund eine gute Kombination ist. Darüber kann und werde ich mir kein Urteil erlauben. Ich jedenfalls bin wirklich froh darüber, dass ich mit Hunden aufwachsen konnte. Mein Opa hat Schäferhunde gezüchtet und ich habe früh viel Zeit mit diesen wundervollen Tieren verbringen können. Schon mit sechs Jahren bin ich mit einem Schäferhund spazieren gegangen. Aber stets in Begleitung meines Opas oder meiner Eltern.
Ich muss ungefähr 12 Jahre alt gewesen sein, als wir einen Westhighland Terrier bekamen. Vom ersten Tag an durfte ich alleine mit ihm spazieren gehen. Das war überhaupt kein Problem und ich wäre auch körperlich in der Lage gewesen, DJ festzuhalten und wusste genau, wie ich mich zu verhalten hatte.
Doch unabhängig davon, wie gut erzogen ein Vierbeiner sein mag, es können immer Situationen auftreten, in denen der Hund plötzlich anders reagiert, als man vermutet hatte. Man muss sich stets darüber bewusst sein, dass derjenige, der den Hund an der Leine führte, in diesem Moment die Aufsichtspflicht übernimmt. Das bedeutet, dass ein Hundeführer in jeder Sekunge dazu in der Lage sein muss, auf den Hund einwirken zu können, um Gefahren von anderen Menschen oder Sachen vermeiden zu können.
Und worauf kommt es juristisch an? Ab wann darf ein Kind mit einem Hund alleine spazieren gehen?
Grundsätzlich kann man festhalten, dass man sowohl körperlich als auch geistig dazu in der Lage sein muss. So lässt sich die Situation erst einmal grob abstecken.
Doch wenn es tatsächlich einmal um Haftungsfragen und die Auseinandersetzung mit einer Haftpflichtversicherung gehen sollte, wird jeder Fall ein Einzellfall sein. Es kommt also auf das jeweilige Kind an. Auf das Alter und die geistige Reife. Zudem wird auch die Größe des Hundes eine Rolle spielen. Es kann zudem relevant sein, ob das Kind völlig alleine oder unter Aufsicht den Hund gefüht hat.
Wächst ein Kind zum Beispiel mit Hunden auf, so kann es durchaus sein, dass bereits ein zehnjähriges Mädchen dazu in der Lage ist, einen Hund alleine auszuführen. Natürlich muss das Kind auch körperlich dazu fähig sein, das Tier im Zweifel festhalten zu können.
Ein Kind, welches keinerlei Erfahrungen mit Hunden hat, wird auch mit 14 nicht alleine mit dem Hund rausgehen können.
In jedem Fall sind die Eltern gefragt. Sie müssen ihrem Kind die notwendigen Informationen mit an die Hand geben. Wie verhält man sich, wenn ein anderer Hund kommt? Kann der Hund abgeleint werden und wenn ja, wann? Wie führt man einen Hund an der Straße, wie im Wald?
Je mehr Wissen das Kind hat, umso eher wird man es alleine mit einem Hund losschicken dürfen. Viele Hundeschulen bieten hier eine individuelle Betreuung und vermitteln dem Kind die notwendigen Kenntnisse. Wer zum Beispiel derartige Unterrichtsstunden nachweisen kann, der steht in einer Schadenssituation in jedem Fall deutlich besser, als jemand der Hund und Kind einfach zusammen losschickt.
Leider kann man nicht auf alle Fragen eine klare juristische Antwort geben. Oft ist man als Jurist einfach gezwungen, das typische “Es kommt drauf an” zu antworten. So auch hier. Dennoch lässt sich zusammenfassen:
Fazit
Ob ein Kind mit einem Hund alleine spazieren gehen kann, ist in jedem Fall anders zu beurteilen. Entscheidende Faktoren können das Alter des Kindes, die Erfahrungen mit Hunden, die Größe des Tieres sowie auch der Erziehungsstand des Hundes sein.
Sollte es dennoch zu einem Schadensfall kommen, steht man juristisch umso besser, je besser der Hund erzogen ist und umso mehr Kenntnisse das Kind hat.
Danke für diesen tollen Blog. War sehr interessant zu lesen.
Mein Thema trifft dieses hier nicht ganz. Ich erhoffe mir hier dennoch Unterstützung, da ich nicht weiß, wie ich mich verhalten soll, mir aber der Hund leid tut und ich es als meine Pflicht ansehe etwas zu tun. Folgende Situation: ich will einen Spaziergang machen, will zur Haustür hinaus, kommt mir der Nachbar entgegen. Wir grüßen uns und gehe weiter. Am Waldrand beobachte ich eine Frau mit Kleinkind und einem Rotweiler an der Leine. Auf einem Grundstück springt noch ein anderer Hund herum. Sie fragt mich, ob ich den Hund kenne. Ich sagte, das ist der Hund vom Nachbarn im Haus. Ich brachte den Hund zurück. Er war verunsichert aber braf. Ich klingelte bei dem Nachbarn, keiner machte auf. Ging nach oben, klopfte an die Tür und nach ca. 5 min. öffnete die Frau die Tür und war ganz beschämt, dass ich den Hund zurück brachte. Es war nicht das erste Mal, dass der Hund allein auf der Straße umher sprang. Ich überlege den Tierschutz einzuschalten. Oder ist das übertrieben?
Das ist sicher keine schöne Situation allerdings gehe ich nicht davon aus, dass die Behörden hier einen Handlungsbedarf sehen werden…