Erinnert ihr euch noch daran, dass ich in unserem Jahresrückblick geschrieben habe, wie glücklich ich bin, dass Queen und Püppi gesund sind und ich so dankbar bin, dass wir im ganzen Jahr keinen Grund hatten zum Tierarzt zu fahren? Ich werde eine solche Aussage nie wieder treffen…
Am Samstag, den 16.01.2021 lagen Queen und Püppi im Flur, während wir im Schlafzimmer die letzten Renovierungsarbeiten abschlossen. Ich lief an ihnen vorbei und ich werde nie vergessen wie Queen sich in dem Moment auf den Rücken drehte und mit der Rute wedelte. Ich hockte mich zu ihr und streichelte ihr den Bauch. Plötzlich fühlte ich einen Knubbel. Zunächst dachte ich, es handelt sich um eine Zitze, doch eigentlich wusste ich bereits, dass sich der Knubbel dafür eigentlich zu groß anfühlte. Ich drehte sie ein Stück zur Seite und sah nach. Neben ihrer Sitze war ein traubengroßer Knubbel zu spüren und ab da ging alles ganz schnell. Ich geriet in Panik, versuchte mit zitternden Händen bei Google “Knubbel Gesäugeleiste” einzugeben und alles verschwamm vor meinen Augen. Worte wie “Mamatumor”, “Mastzellentumor” und “Lebenserwartung”. Ich habe nur noch geweint. Es war 17 Uhr und ich fühlte mich so unendlich hilflos. Den gesamten Abend habe ich nur noch geweint. Ich weiß noch, dass ich Jan auf unserer Abendrunde gefragt habe, wie ich mich je wieder beruhigen soll? Für mich brach alles zusammen. An essen oder schlafen war nicht mehr zu denken. Ich lag die ganze Nacht wach. An was ich gedacht habe, kann ich gar nicht mehr sagen. Es war gar nicht so, dass ich gegrübelt habe, sondern alles war so leer. Ich konnte an nichts denken. Ich fühlte eine unfassbar große innere Unruhe, die mich keinen klaren Gedanken fassen ließ.

Sonntag morgen rief ich in der Tierklinik an. Es war kein Notfall, doch ICH war der Notfall. Ich war froh, dass ich direkt hinfahren durfte. Die Ärztin war sehr nett und tastete Queen ab. Auf der anderen Seiten fühlte sie einen erbsengroßen Knubbel, den ich bis dahin gar nicht gefunden hatte. Am Ende des Gesäuges fühlte sie zudem eine längliche Verhärtung. Auch die hatte ich vor lauter Zittern und Panik am Vortag gar nicht wahrgenommen.
Sie machte eine Biopsie von allen drei Stellen und bot mir an, die Lunge zu röntgen. Tumore an der Gesäugeleiste würden schnell streuen und in die Lunge würde es am ehesten wandern. Zudem hat sie ein großes Blutbild veranlasst um sich einen Überblick über andere Organe machen zu können.
Dreißig Minuten mussten wir warten und ich glaube, das waren die längsten meines Lebens. Ich war so froh, als sie mir schon auf dem Weg ins Besprechungszimmer verriet, dass die Lunge super aussehen würde. Alle Blutwerte waren im grünen Bereich — auch das war viel Wert. Sie sprach davon, dass es nicht unbedingt Krebs sein müsste und selbst wenn, dann würde man es wegschneiden können. Etwas beruhigter fuhren wir nach Hause.

Montag rief ich insgesamt vier Mal in der Klinik an, um mich nach den Ergebnissen der Biopsie zu erkundigen. Leider waren sie auch am Abend noch nicht da und so versuchte ich mein Glück direkt am Dienstag morgen. “Ja, die Ergebnisse sind da. Ich notiere einen Rückruf.” Ich hatte gehofft, man könne mir direkt etwas sagen, doch das sei Sache der Ärztin und sie würde mich dann im Laufe des Tages anrufen. 18.30 Uhr war es dann soweit. Ich weiß heute nicht mehr, wie ich den Dienstag überstanden habe, doch am Abend hörte ich dann endlich die zunächst erleichternde Nachricht, dass keine Krebszelle gefunden wurde. Es sei eitrige und entzündete Masse gewesen. Zwar gibt es sogenannte Mischtumore, allerdings hielt sie es für sehr unwahrscheinlich, dass sie bei dreifacher Biopsie jedes Mal keine einzige Krebszelle erwischt hatte. Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich noch nicht, wie sehr sie sich getäuscht hatte. Wir hielten es beide für das Beste, die Knubbel operativ entfernen zu lassen und so bekam ich direkt einen Operationstermin für Montag, den 25.01.2021.
Die Tage vor der Operation waren nicht so schlimm wie befürchtet. Ich klammerte mich an bisherige Untersuchungsergebnisse und war froh, dass keine Krebszelle gefunden wurde. Ich spürte immer noch diese innerliche Unruhe, konnte kaum schlafen und hatte beim Arbeiten Probleme mit meinen kribbelnden Händen. Meine Gedanken konnte ich jedoch erstaunlich gut ausblenden und so verging die Zeit bis Montag unerwartet gut.
Montag morgen brachte ich Queen dann in die Klinik. Das fiel mir wie zu erwarten war wirklich schwer. Vor allem, weil Queen nicht mit der Arzthelferin mitgehen wollte und mich fragend ansah. In diesem Moment ist mir ein Stück von meinem Herz abgebrochen. Man kann gar nicht beschreiben, wie hilflos man sich fühlt. Man würde so viel geben, ihr nur eine Minute erklären zu können, dass alles gut wird und man sie wieder abholen wird. Ihren fragenden Blick werde ich nie vergessen. Gott sei Dank hatte ich keine Zeit traurig zu sein, da meine Freundin Ele auf mich wartete. Ele ist Queens Physiotherapeutin, die auch dort in der Klinik arbeitet und ganz in der Nähe dort wohnt. Wir verabredeten uns auf einen Spaziergang mit den Hunden, weil sie mich ein wenig ablenken wollte und ich hatte so das Gefühl, noch ganz in der Nähe zu sein.

Auf unserem Spaziergang erzählte sie mir, dass sie sich extra erkundigt habe, wer OP — Dienst hat. Zum Glück war es die liebe Olga, die Queen auch durch ihre Physiotherapie kennt und die sie mag. Mich beruhigte der Gedanke, dass sie wenigstens ein bekanntes Gesicht um sich hatte. “Solange wir nicht anrufen, läuft alles nach Plan” waren die Worte, mit denen ich in der Klinik verabschiedet wurde. Keine Stunde später klingelte mein Handy: “Tierklinik Bramsche”. Ich hatte so eine Angst ans Telefon zu gehen und mir rutschte mein Herz in die Hose als ich verstand, dass es der Chirurg persönlich gewesen ist. Schnell stellte sich heraus, dass er lediglich mit mir besprechen wollte, ob auch kastriert werden sollte, denn das ging aus seinen Unterlagen nicht hervor. Als ich ihm sagte, dass Queen noch läufig sei, riet er mir von einer Kastration im gleichen Schritt ab und so beendeten wir mit einem Lachen das Gespräch, denn ich konnte nicht umher ihm mitzuteilen, wie groß der Schrecken war, den er mir mit dem Anruf ein gejagd hatte.
Olga hielt Ele während der gesamten Operation auf dem Laufenden. Wir wussten sogar ihre Sauerstoffsättigung und wussten genau, wann der erste Schnitt vernäht wurde. Es kam eine Nachricht, um mitzuteilen, dass sie aus dem OP sei und ein kleines Video als sie aufwachte. Ich war so dankbar. Das hat mir viel Sorge genommen und ich wusste den gesamten Tag, wie es lief, ihr ging und wann wer mit ihr Pipi machen ging 🙂
Um halb fünf durfte ich sie abholen. Vorher sprach ich kurz mit der Ärztin, die mir Handlungsanweisungen für die folgenden vierzehn Tage mit auf dem Weg gab. Draußen warteten wir dann gespannt auf mein Bärchen. Als sie mich sah, zog sie wie verrückt an der Leine zu uns. Sie freut sich riesig, doch gab mir auch sehr schnell zu verstehen, dass sie eigentlich nur noch nach Hause wollte. Sie machte einen fitten Eindruck, aber schien mit den Nerven völlig fertig zu sein.
Trotz unseres großen Kofferraums bekamen wir die Klappe dank dieses riesigen Trichters um ihren Kopf kaum zu. Schon nach wenigen Metern schlug er immer wieder gegen die Scheibe, sodass wir uns entschlossen, ihn abzunehmen. Ich hätte ihn ohnehin spätestens Zuhause abgenommen, weil ich weiß, dass Queen nicht an Wunden leckt und ich ja ohnehin immer dabei sein würde. Nachts werde ich von jedem Schleckgeräusch wach und so wollte ich ihr das Drama ersparen. Sie legte sofort den Kopf ab, denn das war mit dem Trichter gar nicht möglich. Zuhause angekommen musste sie aufgrund der Infusionen so viel pieseln, dass ich dachte, es hört nie wieder auf. Sie legte sich direkt in ihr Körbchen und sie war so müde. Ich nehme an, sie konnte mit dem Trichter gar nicht schlafen, denn es war nicht möglich, den Kopf abzulegen. Sie schlief zwei Stunden tief und fest.

Nachdem sie aufgewacht war, wollte ich mir einmal in Ruhe ihren Bauch ansehen. Mit der Ärztin habe ich allein gesprochen, sodass ich noch gar nicht gesehen habe, wie das da unten nun alles aussieht. Außerdem muss man ja auch ein Auge auf die Nähte haben, sodass eine kleine Untersuchung meinerseits erfolgte 🙂 Zwar sprach die Ärztin vom ersten Moment an von einer “großflächigen Entfernung” und man erklärte mir auch, dass umliegendes Gewebe mit entfernt werden würde. Man sprach aber auch von erbsengroßen Knubbeln und was glaubt man, wie groß die Naht dann wohl sein kann? Ich stellte mir drei kleine Schnitte vor, vielleicht 4 oder 5 cm? Ich fasse mich mal kurz: ich war schockiert und bin es auch immer noch. Die Nähte sind lang, sehr lang. Fast doppelt so lang wie in meiner Vorstellung. Teile der Gesäugeleiste wurden entfernt, alles andere war dick angeschwollen, sodass es aussah als hätte man ihr Löcher in den Bauch geschnitten. Dieser Anblick traf mich wie ein Schlag ins Gesicht. Die ganzen Tage vor der OP redete ich mir ein, dass das lediglich weggeschnitten werden müsste und die Welt dann in Ordnung sei. Ich gab sie dort ab und vor meinem geistigen Auge war das nur ein kleiner Eingriff. Ich hatte versucht mir das klein zu reden, um mich selbst zu beruhigen. Und so bleibt das Gefühl, als hätte ich Queen mit diesem riesigen Eingriff allein gelassen. Ich hab versucht nicht zu weinen, doch das fällt mir selbst jetzt noch schwer. Sie tut mir so leid und ich kann ihr nichts von all dem abnehmen. Sofort hätte ich mit ihr getauscht, wenn ich gekonnt hätte. Erst in diesem Moment wurde mir klar, was da eigentlich passiert ist und von diesem Moment an bleib ein komisches Gefühl in mir.
Die Tage nach der Operation verliefen gut. Queen ging es immer besser und es war nicht einfach sie ruhig zu halten. Sie sollte nicht ins Bett springen, was am schwierigsten war. Spazieren gehen durften wir nur 5 bis 10 Minuten pro Spaziergang, doch nach Absprache mit Ele durften das auch mal 15 Minuten sein. Es freut mich sehr, dass es ihr so schnell wieder gut ging. Sie hat Appetit, will spielen und freut sich über jede Kleinigkeiten. Ich glaube, für sie ist die Welt schon fast wieder in Ordnung. Auf jeden Fall wird sie es schneller vergessen können als ich.
Am Freitag morgen rief ich in der Tierklinik an um mich zu erkundigen, ob die Ergebnisse der pathologischen Untersuchung schon da seien. Man sagte mir, ich würde im Laufe des Tages zurück gerufen und man würde die Ergebnisse mit mir besprechen.
Direkt fühlte ich mich in die Zeit zurück versetzt, in der ich auf die Ergebnisse der Biopsie gewartet habe. Ich war nervös, bekam Panik und malte mir die verrücktesten Optionen aus. Ich hatte ein ganz schlechtes Bauchgefühl und ahnte, dass es vielleicht nicht die besten Nachrichten werden würden. Um 18.10 Uhr wurden meine Vermutungen bestätigt.
Angerufen hatte mich eine Ärztin, die ich gar nicht kannte, weil Queens Ärztin frei hatte. “Alles gut verlaufen” sagte sie und fing an zu erzählen. Die erste Stelle war eine gutartigen Umfangvermehrung. Als sie über die zweite Stelle sprach fiel das Wort Karzinom. Ich direkt: “Moment bitte. Ein Karzinom ist doch bösartig, oder?” “Ja, ja.” sagte sie “Aber das wussten sie doch durch die Biopsie schon, oder?” Ich verneinte und erklärte ihr, man habe keine Krebszellen gefunden. Die Ärztin war etwas erstaunt und entschuldigte sich direkt für ihre forsche Art mir das beizubringen. Es wäre sehr selten, dass die Biopsie ein abweichendes Ergebnis liefert, aber möglich. Sie erklärte mir, dass es sich um zwei bösartige Stellen handelte, die jeweils so groß gewesen sind wie ein Pfefferkorn — ein Wunder, dass ich es so früh erkannt hätte. Es wäre alles großflächig entfernt worden, nichts ins Blut gegangen, die Lymphknoten wären alle frei, alle Organe sauber und auch sonst nichts krebsartiges im Körper gefunden worden. Die Karzinome wären eine sehr milde Form und einer der am wenigsten aggressiven Tumore — das war natürlich beruhigend zu hören. Falls noch mal etwas wachsen sollte, wird es wahrscheinlich ebenfalls eine milde Form sein und die könne man gut entfernen. Wenn dies der Fall sein sollte, lasse ich die gesamte Gesäugeleiste herausnehmen.
Ich hoffe natürlich sehr, dass nichts nachwachsen wird. Am kommenden Freitag haben wir noch einen Termin zur Kontrolle der Wunden und dann werden wir besprechen, wann wir in Zukunft zur Kontrolle kommen werden. Ich werde das engmaschig in der Klinik kontrollieren lassen.
“Sie werden Ihren Hund behalten können. Selbst wenn wir da noch mal etwas entdecken, wird es wieder früh genug sein und Sie werden Ihren Hund nicht daran verlieren. So früh wird es selten erkannt und diese Art von Tumor wächst so unglaublich langsam, dass man da rechtzeitig eingreifen kann”. Das sind die Worte, an die ich mich nun klammern muss.
Es war ein Schock, dass es doch bösartige Tumore gewesen sind und ich habe mich an dem Abend wirklich gefragt, wie ich das alles psychisch schaffen soll und wie ich mit der Angst umgehen kann. In der Nacht lag ich mehr wach als dass ich geschlafen habe. Ich spürte wieder diese innere Leere und diese Unruhe in mir. Doch am morgen sah die Welt schon anders aus. Wir haben es so früh festgestellt und ich hoffe einfach, dass es nicht noch einmal wachsen wird. Falls doch, muss radikaler operiert werden, aber auch das schaffen wir. Queen ist so ein glücklicher und fröhlicher Hund — man kann gar nicht anders als sich davon anstecken zu lassen.

Wenn nichts mehr kommt, ist es perfekt. Und wenn doch noch etwas kommen sollte, was möglich aber keinesfalls sicher ist, dann werden wir auch das meistern 🙂 Am Ende wird sowieso alles gut und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende.
Ich betrachte es so: Wir haben jetzt einen Grund weniger zu lachen, doch Queen & Püppi liefern uns jeden Tag so unzählige viele Gründe zu lachen, glücklich zu sein und das Leben zu genießen und das lassen wir uns von zwei kleinen bösen Pfefferkörnern nicht nehmen.