Ich halte nicht viel von Vorurteilen. Schubladendenken liegt mir nicht. Dennoch werde ich immer wieder mit Vorurteilen dem Schäferhund gegenüber konfrontiert. Es sind oft die zufälligen Begegnungen im Wald oder auf den Feldern. Manchmal ahnt man schon, dass der Entgegenkommende nicht wortlos vorbeilaufen wird. Manchmal kommt es unerwartet. Es sind immer wieder die gleichen Fragen oder plumpten Unterstellungen.
Heute möchte ich euch von den Vorurteilen berichten, denen wir regelmäßig begegnen und die der Rasse scheinbar immer noch anhaften.
Schäferhund und Zwingerhaltung.
Wie oft ich schon gefragt worden bin, ob Queen in einem Zwinger lebt, kann ich schon gar nicht mehr zählen. So unvorstellbar das für mich wäre, so nachvollziehbar ist die Frage zugleich. Denn tatsächlich leben sehr viele Schäferhunde in Zwingern. Oft sind es Hunde, die im Hundesport, insbesondere IPO, geführt werden. Oft sind es Zuchthunde. Leider gibt es nach wie vor viele Menschen, die ihre Hunde — und dazu zählen leider sehr oft die Schäfis — als Sportgerät betrachten. Als Brutmaschine, um das schnelle Geld machen zu können. “Das war schon immer so” oder “Der Hund geht doch freiwillig dort rein” sind nicht selten genannte Gründe für die Zwingerhaltung.
Ich halte nichts davon. Ein Hund ist ein Rudeltier und ein Rudeltier lebt, isst, schläft und ruht wie der Name schon sagt mit seinem Rudel. Für mich ist die Zwingerhaltung keine Option und ich hoffe, dass diesbezüglich bald ein Umdenken kommen wird. Den gesetzlichen Bestimmungen zufolge müssen die Zwinger bei einem Hund mit einer Widerristhöhe von zum Beispiel bis zu 50 cm nur 6 Quadratmeter groß sein. In meinen Augen ist das keine artgerechte Haltung und ich hoffe sehr, dass die Zwingerhaltung abnehmen wird und aus den Köpfen der Leute verschwindet.
Ein Schäferhund in der Wohnung.
Wenn man sich über dieses Thema unterhält, dann bekommt man schnell den Eindruck, Schäfis werden gar nicht richtig als Hund wahrgenommen. Mehr als eine Art Dinosaurier, die alles zerstören, umschmeißen und platt trampeln. Schäfis sind ähnlich groß wie Labradore oder Golden Retriever und bei diesen Rassen stellt sicher niemand in Frage, ob sie in einer Wohnung leben können. Unsere Wohnung ist groß und Queen hat im Büro, im Schlafzimmer und im Wohnzimmer einen eigenen Platz. Sie liegt ebenfalls auf dem Sofa, auf dem großen Teppich im Flur und wenn keiner hinsieht auch schon mal auf dem Bett. Unser Flur ist groß genug, dass hier auch das ein oder andere Spiel stattfinden kann, also seh ich da eher kein Problem. Wir haben einen Garten mit rund 800 Quadratmetern. Ich bin jedoch kein Freund davon, Hunde unbeaufsichtigt im Garten zu lassen, daher gehen wir nur gemeinsam dorthin. Was ich sagen will: es ist absolut kein Problem einen Schäferhund im Haus oder in einer Wohnung zu halten, wenn er ausreichend Bewegung und artgerechte Beschäftigung bekommt.
Schäferhunde sieht man immer seltener.
Das stimmt leider. Jährlich werden ca. 16.000 Schäferhund — Welpen registriert. Auf dem zweiten Platz folgt der Dackel mit 6.000 Welpen. Allein dieser Vergleich zeigt doch schon, wieviele Schäferhunde eigentlich bei solch einer Anzahl registrierter Hunde auf den Straßen zu sehen sein müssten. Wo sind also all diese Hunde? In Scheunen und Zwingern? Auf Höfen, auf die sie rund um die Uhr aufpassen müssen? Ich möchte gar nicht drüber nachdenken.
Schäferhunde tragen Stachelhalsbänder.
Stachelhalsbänder sind tierschutzrelevant und haben am Hals eines Hundes nichts verloren. Mittlerweile gibt es sogar Stachelhalsbänder, die sich unter einem Gurtband befinden, damit niemand sehen kann, wie das Tier behandelt wird. Richtig pervers wird es dann, wenn auf dem Gurtband “Mamas Liebling” steht. Auf einer Messe ganz unten in einer Ecke hingen diese “versteckten” Stachelhalsbänder mit den netten Aufschriften. Ich möchte allen Menschen, die ein Stachelhalsband benutzen, dieses Halsband ebenfalls um den Hals binden — einmal auf den Hundeplatz zur Unterordnung und wehe der Winkel stimmt nicht …
Kommissar Rex.
Je öffentlicher der Ort ist, an dem wir spazieren gehen, umso öfter höre ich Sätze wie “Da kommt Kommissar Rex.” Vielleicht süß gemeint, aber nach dem hundertsten Mal ruft es maximal noch ein müdes Schmunzeln hervor. Dennoch nachvollziehbar, dass einer der erfolgreichsten Deutschen Serien dieser Rasse wohl ewig anhaften werden.
Fass.
Ihr glaubt gar nicht wieviele Menschen an mir vorbei gehen, Queen ganz tief in die Augen sehen und im letzten Moment “Fass” sagen. Und mit Menschen meine ich hier in der Regel Jugendliche mit der “Ich habe vor niemandem Respekt, weil wir mit unseren Schlabberklamotten und der Kippe im Hals die coolsten sind” — Einstellung. Queen kennt das Kommando nicht, sodass sie keinerlei Reaktion zeigt. Damit geben sich die coolen Kids von heute aber nicht zufrieden, daher folgt in der Regel ein Satz wie “Der Hund ist kaputt” oder “Da sind wohl die Batterien leer.” Deren Gesichter möchte ich sehen, wenn sie damit mal an einen Hund geraten, dem dieses Kommando durchaus bekannt ist.
Leises Tuscheln.
Kommen uns auf einem Spaziergang Menschen entgegen, die in einer Gruppe unterwegs sind, höre ich oft Wortfetzen wie “Schäferhund” oder “gefährlich”. Scheinbar besteht ein allgemeines Bedürfnis die Anwesenheit eines Schäferhundes zu kommentieren oder anzukündigen. Schließlich müssen alls Gruppenmitglieder auf die sich nähernde Gefahr aufmerksam gemacht wird — total nachvollziehbar 😀
Interessant wird es oft bei der typischen Frauengruppe von Mitvierzigern, die im Gleichschritt und wild schnatternd um den See laufen. Alle im perfekten Sportoutfit — sehen aus wie Profis, aber alles nur Tarnung 🙂 Ich habe durchaus Verständnis dafür, wenn jemand Respekt vor einem Schäferhund hat. Keine Frage, das respektiere ich und da bin ich mir auch durchaus bewusst drüber. Daher versuche ich zu vermeiden, dass sich jemand in unserer Gegenwart unwohl fühlt. Queen läuft zwar in der Regel ohne Leine, doch ich rufe sie ausnahmslos immer zu mir, wenn uns Menschen entgegen kommen. Ist der Weg breit genug, nehme ich sie auf die andere Seite, sodass ich zwischen ihr und den uns entgegen kommenden bin. Ist der Weg schmal, weiche ich ins Gras oder Gebüsch aus. Ich leine nicht immer an. Oft hole ich mir Queens Aufmerksamkeit, lasse die Menschen vorbeigehen, belohne sie und sie darf wieder laufen. Das reicht aber scheinbar nicht, denn ganz oft wird dies kommentiert mit leise hörbaren Wortfetzen wie “ohne Leine” oder “wenn der mal losrennt”.
Wenn ich mich über Queen unterhalte, werde ich ganz oft auf die Gefährlichkeit von Schäferhunden angesprochen. Früher oder später kommt die Frage “Aber wenn sie dich beschützen will, würde sie im Zweifel doch zubeißen oder?”
Vermutlich schon. Aber sie wäre sicher nicht der einzige Hunde, der sein Frauchen beschützt und ist deshalb noch lange nicht gefährlich. Natürlich hat ein Schäferhund ein anderes Aggressionspotential als ein Labrador. Und natürlich ist ein Schäfi anders gestrickt wenn es um Territorialverhalten, Ressourcenverteilung und Dominanz geht als zum Beispiel ein Pudel. Dennoch ist ein Schäferhund kein generell gefährlicher Hund. Dass die Beißstatistik von Schäferhunden angeführt wird (übrigens dicht gefolgt vom Chihuahua) liegt unbestritten daran, dass der Schäferhund im Polizei- und Zolldienst eingesetzt wird und auch diese Fälle mit in die Statistik fallen.
Die meisten Begegnungen kann ich mit Humor nehmen und meistens sind sie bereits nach wenigen Minuten vergessen. Doch wenn man mal einen Strich unter die Sache zieht, ist es schon erschreckend, welches Bild die Leute von einem Schäferhund haben. Ein gefährliches Tier, welches besser an der Leine geführt wird. Ein Hund, welcher in einem Zwinger lebt und nur für den Hundeplatz raus darf. Ein Hund, welcher auf das Wort “Fass” alles beißt, was ihm ins Maul kommt…
Der Schäferhund ist und bleibt ein toller Hund und ich setze mich gerne für einen zeitgemäßen Ruf dieser Rassse ein. Ich weiß, dass ich nicht alle Vorurteile beseitigen kann. Doch immer mal wieder passieren diese Momente. Augenblicke, in denen jemand merkt, was für ein unglaublich toller Hund Queen ist. Zeitpunkte, in denen die Menschen ihr Vorurteile ablegen, weil sie sehen, dass sie auch nur ein ganz normaler Hund ist, der gerne mit Bällen spielt, sich über einen Keks freut und gern gestreichelt wird.
Wurdet ihr auch schon mit Vorurteilen eurem Hund gegenüber konfrontiert?
Hallo, das kann ich alles voll bestätigen. Es fehlt aber die Situation, dass einem ein an der Leine tobender Hund (Rasse egal, aber meistens klein) entgegen kommt und der Besitzer sagt, das läge daran das der Hund schon mal vom Schäferhund gebissen wurde. Ich könnte brechen, kann immer gerade noch verhindern zu sagen, wenn der sich so benimmt hätte er es verdient. Ist mit belgischen Schäferhunden aber genauso.
Aber ich liebe Schäferhunde, keine andere Rasse sucht so die Kommunikation mit Menschen.
Gruß Gabi
Unser tschech. Wolfsmädchen wird immer von den Leute angestarrt. Immer schön direkt in die Augen blicken. Wenn sie dann wufft, heisst es „Oh, ist die gefährlich?“ Äh Nein, ich finde es auch nicht dufte wenn mich jemand penetrant anstarrt. Oder die Challenge der Leute sie anzufassen. Sie weicht aus, weil sie nicht von fremden Personen angefasst werden möchte (völlig ok für uns). Prompt kommt wieder „Oh, ist die gefährlich?“ Nein verdammt, ich möchte auch nicht von Wildfremden ohne Einladung angetouched werden. Mittlerweile schaff ich es einfach kommentarlos weiterzugehen, obwohl es unhöflich ist. Aber irgendwann hat man einfach keine Energie mehr für Erklärungen
Manche Leute haben allgemein Vorurteile gegenüber Hunden. Ich habe einen Boxer, da sind die Reaktionen mancher Menschen ähnlich, obwohl die Rasse als freundlich und kinderlieb bekannt ist.
Manche dieser Leute trauen sich aber immerhin, Hundehalter zu maßregeln oder anzupöbeln, wenn auch nur von Weitem. So groß kann die Angst dann auch wieder nicht sein. Einmal hat uns eine Joggerin regelrecht verfolgt, nur um mir zu sagen, wie unverschämt sie es von mir findet, ohne Leine herumzulaufen und sie doch soo große Angst hat (Hund lief bei Fuß neben mir, das reichte ihr nicht). Nein, solche Leute haben keine Angst, die glauben nicht ernsthaft, dass (Schäfer-) Hunde gefährlich sind. Die mögen einfach Hunde nicht und wollen einem auf die Nerven gehen. Ich bezweifle, dass sie Schäferhund, Pudel, Labbi oder Meerschwein – von der Optik abgesehen – überhaupt unterscheiden können.
Nach Zwingerhaltung hat noch keiner gefragt. Das mag aber daran liegen, dass ich in einer Großstadt wohne.
Ich habe ein 4 Jahre alte schäferhund Rüde der ich mit 1 1/2 Jahre adoptiert habe. Ich kenne diese Vorurteile und würde mich auch was anders wünschen aber leider stimmen die Vorurteile manchmal zu. Viele Schäferhunde sind unüberlegt angeschafft, wurden nicht ausgefördert, bleiben Stunden lang alleine, bekommen kaum Bewegung und die Besitzern haben keine Ahnung über was für territoriale oder Schutz Instinkt so eine hund besitzten kann und darum berücksichtigen dies nicht mit der richtige training. Das führt öfter zu ein Problem Hund der agressiv erscheint. Das leidet auch öfter dazu dass der hund ein stachelband kriegt oder sogar geschlagen wird und das problem eskaliert. Diese Hunde landen öfter im Tierheim und sind kaum vermittelbar. Es hat fast einem Jahr gedauert meinem Hund zu resozialisieren. In der erste Monate trug er ein notwendiger Maulkorb. Ich war damals nicht sehr beliebt von Nachbarn mit kleine kindern, aber habe immer viel zeit genommen um die Situation zu erklären. Jetzt wird er gern von fremden gestreichelt geht voll motiviert zum mantrailing und entdeckt der Welt langsam. Etwas was er früher nicht dürfte. Ein Hund anzuschaffen ist meine Meinung viel zu einfach und abzugeben ohne Verantwortung genauso. Ein Schäferhund als Begleiter zu haben ist eine Privileg. Ich würde mich wünschen dass die Anschaffung von diese tolle Hunde besser überlegt wird und potentielle Besitzern besser informiert sind.
Vorurteile stören mir nicht und mein hund versteht die menschen sowieso nicht, er geht freundlich auf sie zu, wedelt mit der Schwanz und hofft auf eine Leckerli.