Nicht selten kommt es auf Deutschlands Straßen zu Beißereien unter Hunden. Diese Erfahrung ist sowohl für den Vier- als auch für den Zweibeiner meist äußerst traumatisierend. Es können nicht nur erhebliche körperliche, sondern auch enorme psychische Schäden entstehen.
Doch wer haftet eigentlich, wenn es zu einer Beißerei kommt? Und wer zahlt, wenn einer der Zweibeiner dazwischen geht und ebenfalls verletzt wird?
Der Fall
Heute beziehe ich mich auf einen Fall, der schon einige Jahre zurückliegt. Genauer gesagt ereignete sich der Vorfall Anfang der 90er Jahre. Doch die zugrundeliegende Gerichtsentscheidung ist noch heute maßgeblich.
Der Kläger ging mit seinen ordnungsgemäß angeleinten zehn Monalte alten Dackel an dem Auto des Beklagten vorbei. Der sieben Jahre alte Riesenschnauzer des Beklagten war eben erst aus dem Fahrzeug ausgestiegen. Er war nicht angeleint. Als er den kleinen Dackel sah, rannte er direkt auf ihn zu. Zunächst beschnupperten sich die Tiere, doch bereits wenige Sekunden später begannen sie zu raufen. Der Beklagte gab an, dass es lediglich deshalb so weit gekommen sei, weil der Dackel keine unterwürfige Geste gemacht habe.
Der Riesenschauzer reagierte nicht auf die Rufe seiner Zweibeiner, sodass der Kläger keine anderen Ausweg mehr sah, als dazwischenzugehen.
Für seinen Dackel kam jede Hilfe zu spät. Trotz tierärztlicher Behandlung starb er wenige Stunden nach dem Beißvorfall. Der Kläger trug ebenfalls Verletzungen davon. Bei dem Versuch, die Hunde zu trennen, wurde er von einem der beiden Hunde in die linke Hand gebissen.
Die Haftpflichtversicherung
Die Haftpflichtversicherung des Beklagten erklärte sich bereit, dem Kläger 300 DM Schadensersatz sowie 400 DM Schmerzensgeld zu zahlen. Darüber hinausgehende Forderungen wurden abgelehnt. Er müsse sich ein erhebliches Mitverschulden zurechnen lassen. Schließlich sei allgemein bekannt, dass man bei einer Beißerei zweier Hunde nicht dazwischen gehen sollte. Erst recht nicht mit den bloßen Händen.
Die Gerichtsentscheidung
Das Landgericht Nürnberg — Fürth gab der Klage zum größten Teil statt. Dem Kläger wurden 1.844 DM Schadensersatz zugesprochen. In dieser Summe waren unter anderem 500 DM für die Anschaffung eines Welpen enthalten, 500 DM Aufzuchtskosten sowie 120 DM Impfkosten. Zudem wurden dem Kläger 800 DM Schmerzensgeld zugesprochen.
Die Grundlage der Entscheidung
Der Beklagte muss schon deshalb für die Schadensfolgen aufkommen (bzw. die hinter ihm stehende Haftpflichtversicherung), weil er als Hundehalter für sein Tier verantwortlich ist. Dise grundsätzlich bestehende Haftung besteht verschuldensunabhängig. Das Verhalten eines Tieres gilt als unberechenbar, sodass ein Tierhalter selbst dann haftet, wenn ihm persönlich kein Vorwurf gemacht werden kann. Dies ergibt sich aus § 833 BGB.
Kein Mitverschulden
Das Gericht nahm — entgegen der Auffassung der Haftpflichtversicherung — kein Mitverschulden des Dackelbesitzers an. Der Kläger habe sich in einem sogenannten Verteidigungsnotstand befunden.
Diese Situation hätte ihm juristisch betrachtet sogar ermöglicht, den Riesenschnauzer gezielt zu verletzten, um seinen eigenen Hund zu retten. Ihm ist in einer solchen Situation erlaubt, was zur Abwehr erforderlich ist. Dies kann zum Beipsiel ein gezielter Schlag oder Tritt sein.
Der Kläger entschied sich für ein milderes Mittel, indem er versuchte, seinen eigenen Hund mit der bloßen Hand wegzuziehen.
Das Gericht hätte möglichweise anders entschieden, wenn etwa sein eigener Hund der Angreifer gewesen wäre oder wenn von vornherein klar gewesen wäre, dass er mit erheblichen Verletzungen hätte rechnen müssen.
Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass der nicht angeleinte Riesenschnauzer eindeutig körperlich überlegen gewesen ist.
Was nehmen wir aus diesem Fall mit?
Für jeden Schaden, der vom eigenen Tier verursacht wird, haftet der Tierhalter in der Regel ohne Berücksichtigung seines eigenen Verschuldens.
So zum Beispiel dann, wenn der eigenen Hund einen anderen im Rahmen eines Beißvorfalls verletzt.
Geht der Besitzer eines angegriffenen Hundes dazwischen, um diesen aus der bedrohlichen Lage retten zu können, und wird er bei diesem Versuch gebissen, so kann er von dem Halter des angreifenden Hundes Schmerzensgeld verlangen.
Ob man sich bei dem Rettungsversuch ein Mitverschulden zurechnen lassen muss, hängt von den Umständes des Einzelfalls ab. Bei der Abwägung spielen unter anderem Umstände wie die körperliche Überlegenheit eines Hundes eine Rolle. Zudem wird berücksichtigt, welche Handlungsmöglichkeiten dem Eingreifenden zur Verfügung standen. Zahlreiche Aspekte können hier eine Rolle spielen und es wird immer eine Einzelfallentscheidung sein. Einen allgemeinen Grundsatz, dass man sich beißende Hunde keinesfalls trennen darf, gibt es jedenfalls nicht und das ist auch völlig richtig so. Wir alle würden versuchen unseren Hund zu retten, wenn sich dieser in konkreter Gefahr befindet und so halte ich es für folgerichtig, wenn ein etwaiges Mitverschulden in jedem Fall einzeln untersucht und geprüft wird.